Wer erfreut sich nicht an dem schönen Anblick eines Baches? Wer springt im Sommer nicht gerne in einen kühlenden See? Fließgewässer sind wichtige Lebensadern und prägen zusammen mit Seen das Gesicht unserer Landschaft! Ein guter ökologischer Zustand der Gewässer ist unabdingbar, damit diese sowohl ihre ökologischen (Vernetzungs-)Funktionen erfüllen können als auch für uns Menschen als Erholungsraum zur Verfügung stehen.
Was das Blut für den Menschen, ist das Wasser für die Erde.
Um die ökologische Bedeutung unserer Gewässer hervorzuheben, auf ihre zentrale Rolle im Naturhaushalt hinzuweisen und darüber auch die breite Öffentlichkeit für die Notwendigkeit des Gewässerschutzes zu sensibilisieren, wird vom Umweltbundesamt seit 2011 jedes Jahr ein "Gewässertyp des Jahres" ausgerufen. Die Typisierung der Gewässer folgt dabei der im Zuge der EU-Wasserrahmenrichtlinie vorgenommen Einteilung der Gewässer. Wichtige Parameter zur Einteilung sind z.B. die Ökoregion, die Höhenlage, die Größe, die Geologie, bei Fließgewässern die Gewässerlandschaft sowie das Schichtungsverhalten und die mittlere Verweildauer bei Seen. In Deutschland gibt es
Für das Jahr 2021 wurde ein Seetyp als Gewässer des Jahres ausgewählt!
Die geschichteten Alpenseen stellen den Typ 4 der LAWA-Seetypologie dar. In der Seetypologie werden alle Seen mit mehr als 50 ha Wasserfläche erfasst -- der heimische Gartenteich oder Naturpool wird also nicht miterfasst. Wie der Name schon verdeutlicht, befinden sich alle Alpenseen in der Ökoregion der Alpen, sie liegen in den nördlichen Kalkalpen oder in den Grund- und Endmoränen des Alpenvorlands und haben alle ein alpines Einzugsgebiet.
Viele Seen des diesjährigen Gewässertyps gibt es in Deutschland nicht und die überwiegende Mehrheit befindet sich in Bayern. Eine Übersicht der geschichteten Alpenseen findet sich im Kartendienst zum Gewässertyp des Jahres. Bekannte Vertreter sind z.B. der Chiemsee, der Ammersee, der Tegernsee oder der Starnberger See.
Zu den Seen des diesjährigen Gewässertyps des Jahres zählen aber auch der Walchen- und Kochelsee – im Gegensatz zu den oben erwähnten natürlichen Seen handelt es sich hierbei um sogenannte stark veränderte Wasserkörper. Der Walchensee ist ein Speicherkraftwerk, es nutzt den Höhenunterschied zwischen dem hochliegenden Walchensee (801 mNN) und dem tieferliegenden Kochelsee (600 mNN) zur Stromerzeugung mittels Wasserkraft – einer erneuerbaren Energiequelle!
Das Walchenseekraftwerk ist heute ein geschütztes Industriedenkmal – trotz laufendem Betrieb. Bei seiner Fertigstellung im Jahre 1924 zählte es mit einer installierten Leistung von 124 Megawatt zu den größten Wasserkraftwerken der Welt. Heute erzeugt das Kraftwerk 300 Gigawattstunden pro Jahr.
Nach Riedmüller et al. (2013) und Umweltbundesamt (2021) liegen die geschichteten Alpenseen des Typs 4 zwischen 400 und 1100 mNN und haben meist große Einzugsgebiete. Sie sind oft tief und langgestreckt, mittlere Tiefen liegen zwischen 15 und 100 Meter, die maximale Tiefe reicht von 20 bis 200 m, der Bodensee ist bis zu 250 m tief. Die theoretische Wasserverweilzeit liegt meist bei mehreren Jahren. Aufgrund der alpinen Einzugsgebiete sind die Alpenseen relativ kalt mit sommerlichen Höchsttemperaturen von 15 bis 20 °C und nährstoffarm, sodass sie eine geringe pflanzliche Produktivität aufweisen. In der Regel ist das Wasser der Seen klar, mit Sichttiefen größer als 4,5 Meter. Im Frühsommer kann es durch einen erhöhten Schwebstoffeintrag aufgrund der Schneeschmelze in den alpinen Einzugsgebieten zu einer zeitweiligen Trübung kommen, bei Seen mit Zuflüssen aus Gletscherregionen kann diese Trübung auch ganzjährig bestehen.
Wie schon am Namen des Gewässertyps erkennbar, besitzen die Alpenseen eine thermische Schichtung: Aufgrund der Dichteunterschiede bildet sich im Sommer eine Trennschicht (Metalimnion) zwischen warmem Oberflächenwasser (Epilimnion) und kaltem Tiefenwasser (Hypolimnion), die eine Vermischung der beiden Schichten verhindert. Während der Sommerstagnation findet die Wasserzirkulation daher nur im oberen Bereich statt. Durch eine Abkühlung der Oberflächenwassertemperatur im Herbst löst sich die Trennschicht auf und es kommt zu einer vollständigen Durchmischung der gesamten Wassersäule. Darauf folgt die sogenannte Winterstagnation, verbunden mit einem Zufrieren der Wasseroberfläche. Nach einer erneuten vollständigen Durchmischung im Frühjahr geht der See wieder in die stabile thermische Schichtung des Sommers über. Die Seen unterliegen also einem jahreszeitlichen Zyklus – mit Auswirkungen auf Temperatur, Sauerstoff- und Nährstoffverhältnisse.
Aufgrund der oligotrophen (nährstoffarmen) Bedingungen, weisen Alpenseen eine geringe organische Produktion auf. An diese Habitateigenschaften angepasst sind zum Beispiel die Armleuchteralgen (Chara aspera WILLDENOW), die bis in Tiefen von 15 Metern dichte Rasen ausbilden (Riedmüller et al., 2013). Auch die zu den Kieselalgen zählenden Schwebesternchen (Asterionella formosa) finden sich in den geschichteten Alpensee – entweder planktonisch im Wasserkörper oder benthisch als Aufwuchs auf Steinen (Umweltbundesamt, 2021).
Ein tierischer Bewohner der Alpenseen ist der Edelkrebs, dessen Verbreitung in Deutschland durch Gewässerbelastungen und die sog. Krebspest stark reduziert ist und der daher fast flächendeckend als gefährdet gilt (Umweltbundesamt, 2021).
Auch der bayrische Fisch des Jahres lebt in den Alpenseen – die Mairenke (auch Schiedling oder Seelaube genannt). Die wandernde Art der Mairenke ist aufgrund der häufig fehlenden Durchgängigkeit der Fließgewässer gefährdet, in den Seen der Alpen lebt eine Unterart (Alburnus chalcoides mento), die nicht oder nur sehr kurze Strecken wandert.
In der Vorstellung des diesjährigen Gewässers des Jahres erwähnt das Umweltbundesamt (2021) auch einen Drachen als Bewohner der geschichteten Alpenseen!? Es handelt sich aber nur um einen "kleinen Drachen" – oder ganz einfach um den Bergmolch (Ichthyosaura alpestris). Passend zu seiner Verbreitung wird er auch Alpenmolch genannt und kommt zur Paarungszeit und zum Ablaichen an die Alpenseen.
Der ökologische Zustand der Alpenseen ist überwiegend gut bis sehr gut, was auch an den geringen Nährstoffeinträgen aus den alpin geprägten Einzugsgebieten liegt. Auch die Fortschritte in der Siedlungsentwässerung in den vergangenen Jahrzehnten, hier insbesondere der Ausbau der Kläranlagen, tragen zu geringen stofflichen Belastungen der Alpenseen bei. Eine Ausnahme ist der Schliersee, der nur einen unbefriedigenden ökologischen Zustand aufweist. Grund dafür sind hohe diffuse Nährstoffeinträge aus dem Seeumfeld (Umweltbundesamt, 2021).
Die Alpenseen reagieren aufgrund ihrer thermischen Schichtungscharakteristik sensitiv auf Temperaturänderungen – das betrifft sowohl die Lufttemperatur als auch die Gewässertemperatur der Zuflüsse. Zukünftige Veränderungen des großräumigen Klimas können daher massive Auswirkungen auf die Habitateigenschaften der Pflanzen und Tiere haben. Das Forschungsprojekt "Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft" beschäftigt sich unter anderem mit den Auswirkungen von Klimaänderungen auf Seen: Eine mögliche Auswirkung veränderter Temperaturen der Luft und der Zuflüsse ist die Verlängerung der stabilen Schichtung im Sommer – sie beginnt früher, wird stabiler und der vertikale Austausch zwischen den Schichten nimmt potentiell ab. Durch die stabilere Schichtung kann auch die Anzahl der Jahre zunehmen, in denen keine vollständige Durchmischung der Wassersäule stattfindet (Umweltbundesamt, 2021). Veränderung der Zirkulation und der Temperatur haben maßgebliche Auswirkungen auf die Tiefenverteilung der Sauerstoffkonzentration, die Bildung von Biomasse (Algen) und dem damit verbundenen Sauerstoffverbrauch. Das Entstehen längerer anaerober (sauerstofffreier) Phasen im Tiefenwasser ist eine mögliche Folge einer Klimaänderung (KLIWA, 2021).
Klimabedingte Änderungen der Niederschlagscharakteristik (z.B. häufigere Starkregenereignisse) können dazu führen, dass höhere Frachten an Sediment und damit Nährstoffen in die nährstoffarmen Alpenseen eingetragen werden (KLIWA, 2021), was zu einer Zunahme des Algenwachstums und damit zu einer Eutrophierung sowie zu einer kompletten Artenverschiebung im Wasser und der Wasser-Land-Wechselzonen führen könnte.
Eine weitere Herausforderung ist der Verlust an ufernahen Lebensräumen durch bisherige oder zukünftige Sicherung und Verbauungen der Seeufer (Umweltbundesamt, 2021).
Zusammenfassend fordert das Umweltbundesamt (2021) in seiner Beschreibung des diesjährigen Gewässers des Jahres, "die Widerstandsfähigkeit dieser Ökosysteme gegenüber den klimabedingten Veränderungen zu stärken, indem die übrigen anthropogenen Belastungen so weit wie möglich reduziert werden".
Wie oben bereits ausgeführt, spielen neben direkten Schutzmaßnahmen an den Alpenseen die Zuflüsse – und damit der ökologische Zustand der Fließgewässer und deren Einzugsgebiete – für den langfristigen Zustand der Seen und als Wanderkorridore für aquatische Lebewesen eine entscheidende Rolle. Der ökologische Zustand der Fließgewässer ist deutlich schlechter als der ökologische Zustand der geschichteten Alpenseen.
Nur 10 Prozent unserer Fließgewässer befinden sich in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand.
An diesem erschreckend geringen Anteil an Fließgewässer mit einem sehr guten oder guten ökologischen Zustand hat sich auch bis 2021 nichts Wesentliches geändert, wie es der nachfolgend kurze Film sehr anschaulich verdeutlicht! Während das Ziel bei den geschichteten Alpenseen die Bewahrung des gegenwärtigen Zustands ist, sind in den kommenden Jahren immense Fortschritte an unseren Fließgewässern notwendig.
Neben der fachlichen Expertise ist es hierzu unumgänglich, breite Teile der Öffentlichkeit von der Notwendigkeit eines nachhaltigen Gewässerschutzes zu überzeugen – eines der Ziele der jährlichen Ausrufung eines "Gewässertyps des Jahres" durch das Umweltbundesamt.
Man liebt nur, was man kennt und man schützt nur, was man liebt!
Lernen Sie also die geschichteten Alpenseen und alle anderen Gewässertypen kennen – und lieben! Und erfahren Sie dann zum Beispiel im Studium des Bauingenieurwesens mit der Vertiefungsrichtung "Wasser & Verkehr" an der HFT Stuttgart, wie ein nachhaltiger Gewässerschutz funktioniert, worin die konkreten Probleme liegen und wie sich diese lösen lassen. Damit wir auch in vielen Jahren noch intakte und vitale Gewässer genießen können – wie z.B. mit einem Blick von den Voralpen auf den Tegernsee!
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