Hässliche Kläranlage? | Peter Baumann
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Müssen Kläranlagen hässlich sein?

Von am 02.05.2021 0 Kommentare

Kläranlagen sind aktiver Umweltschutz – und oft abseits der Bebauung gelegen. Während Industriekläranlagen mit hohen Reaktoren und oberirdisch verlegten Rohrleitungen oft an ein Chemiewerk erinnern, sind kommunale Kläranlagen in Deutschland in der Regel ebenerdig erbaut, die meisten Rohrleitungen unterirdisch verlegt und die Betriebs- wie Maschinengebäude als einfache Zweckbauten erstellt. Die Ansehnlichkeit ist differenziert. Brauntöne haben in der Vergangenheit leider dominiert – vor allem „schlammbraun“. Muss das so sein?

Too often, infrastructure is built in a rather unsexy, utilitarian way. But we know that they can be designed as symbols of civic pride, as they are in a lot places around the world.

In Deutschland finden sich auch (teil-)eingehauste Kläranlagen (vor allem im Hoch­schwarz­wald), die von außen nicht einfach als Abwasser­reinigungsanlage erkennbar sind. Ursächlich ist hier immer der Schutz der technischen Einrichtungen vor hohen Schneelagen und tiefen Außen­temperaturen.

Andere Kläranlagen in Europa sind vereinzelt – oft aus Flächenmangel oder zum Witterungsschutz – weitgehend unterirdisch als Stollenbauwerk oder mit offener Baugrube erstellt und dann nur an den Zugängen und dem Biogasbereich äußerlich sichtbar. Dazu gehören die Kläranlage Tobl im Pustertal Südtirol (als Kavernenbau), aber auch Kläranlagen in Finnland (siehe Video der WWTP Blominmäki), Niederlande oder Portugal.

Die optische Aufwertung von sichtbaren Kläranlagen lässt sich in der Regel realisieren, z.B. mit der architektonischen Gestaltung von

  • Betriebsgebäuden und
  • der Fassade von Faulbehältern.

Eine gärtnerisch aufwendige gestaltete Außenanlage - wie selbst in China gesehen (siehe Bild) – hat in Europa infolge des damit verbundenen Aufwandes weder Tradition noch Perspektive.

Einige Beispiele für die innovative Bauwerksgestaltung auf Kläranlagen sollen nachfolgend kurz beschrieben werden.

Manches ist langweilig besser. Nein, das ist es nicht.

Yennefer von Vengerberg,
In "The Witcher", S1/F7, Netflix

Eine der ungewöhnlichsten Faulturmgruppen Deutschlands mit einem Volumen von 4 * 14.500 m3 steht, gut sichtbar von der BAB 9, auf dem Klärwerk München 1 (Ackermann Architekten BDA, München). Konstruktives Material ist Stahl- und Spannbeton, im oberirdischen Bereich eine kristallin anmutende Fassade aus gekantetem, eloxiertem Aluminium. Im Behälter wurden bei Gesamtbaukosten von ca. 63 Mio. € in der Summe 542 Spannglieder, 630 Tonnen Betonstahl sowie 1.240 Kubikmeter selbstverdichtender Beton und 1.495 Kubikmeter Rüttelbeton verbaut.

Nach dem Vorbild glatt geschliffener Flusskiesel wurden seit 2017 die neuen Faulbehälter der Kläranlage Würzburg (2 * 5.000 m3) mit unterschiedlich geformten Membranschichten umhüllt, so dass zwei sich ähnelnde, jedoch nicht identische Skulpturen entstehen. Die Objekte und deren glatte, helle Ästhetik symbolisieren die Attribute, mit denen sich das Klärwerk Würzburg zukünftig identifizieren will: Präzision, Effizienz und Technologie. (https://www.auer-weber.de/projekte/details/fassadengestaltung-klaerwerk-wuerzburg.html und https://hahnwensch.de/klaerwerk-wuerzburg).

Das Verwaltungsgebäude des Abwasserzweckverbandes Erdinger Moos ist als reiner Massivbau in Stahlbeton konzipiert, mit Dämmung und einer hinterlüfteten Bekleidung ausgeführt. Durch die Augenfälligkeit der Photovoltaik ist es dabei sehr wichtig, dass die substanziellen Erfordernisse des Passivhauses nicht zur Nebensache werden (https://www.vallentin-architektur.de/projekt/abwasserzweckverband-erding/).

Ein architektonisches Highlight bildet auch die Solrødgård Water Treatment Plant in Hillerød/Dänemark, die aufwendig in die umgebende Landschaft integriert wurde. Die dazugehörige Bildergalerie findet sich unter https://www.stirworld.com/see-features-henning-larsen-combines-a-public-park-with-a-water-treatment-plant-in-hillerod#gallery-2.

Fazit

Eine Kläranlage muss – besser: "darf" – heute nicht mehr versteckt werden, auch Zweckbauten lassen sich mit nachhaltigem Gebäudekonzept, ansprechender Fassade und einem angemessenen Farbkonzept ansehnlich realisieren. Diese Strategie wird auf immer mehr Anlagen sehr erfolgreich verfolgt. Es muss natürlich nicht immer ein architektonisches Highlight sein – aber ein wenig mehr Mühe, auch für die optische Gestaltung als oft aufgewendet, wäre schön.

Der Unterschied zwischen guter und schlechter Architektur ist die Zeit, die man dafür aufwendet.

Sir David Chipperfield

Eine auch äußerlich attraktive Abwasserreinigungsanlage bedingt jedoch im Vorfeld des jeweiligen Neubaus eine klare Fokussierung der Beteiligten auf dieses Ziel – auch mit dem Bewusstsein, das hier zusätzliche Kosten anfallen werden. Wichtig ist jedoch, dass die technische Funktionalität weiterhin gegeben ist und eine zukünftige Erweiterung wie Sanierung durch Befindlichkeiten der ursprünglichen Architekten nicht behindert wird.

Hässlich – muss nicht sein!

Peter Baumann, Juni 2021
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